Die Theologie des Alten Testaments von Michaela Bauks


Michaela Bauks, Professorin für Altes Testament an der Universität in Koblenz, schreibt explizit ein Lehrbuch (S. 11), und entsprechend ist es gestaltet: klarer Aufbau, Raum für Notizen am Rand, marginal gesetzte Stichworte, kurze Zusammenfassungen am Ende des Kapitels. Literatur wird diskutiert, wenn es erforderlich und hilfreich ist, so dass Studierende mit dem notwendigen Grundwissen versehen werden, Pastoren sich die Entwicklungen der letzten Jahre in gewünschter Kürze aneignen können und Experten einzuschätzen im Stande sind, welche theologischen Traditionen den Hintergrund von Baucks Darstellung bilden. Das ist sinnvoll, ergebnisorientiert und hilfreich. 

Den hermeneutischen Rahmen legt Bauks im Anschluss an Walter Zimmerli fest, der das Alte Testament als «Offenbarungsgeschichte JHWHs» versteht (S. 13) und seine Mitte in der Wortverkündigung Gottes findet. Neben Zimmerli verweist Bauks auch auf Paul Ricoeur, dessen Rezeptionshermeneutik die Seite der Aneignung durch den Leser beleuchtet: Die Offenbarung schafft die «Wirklichkeit des Möglichen» (S. 28), deren Rezeption in der durch diese Offenbarung geschaffenen Gottesbeziehung geschieht. Gott spricht, der Mensch lässt sich ansprechen – so entsteht eine neue Wirklichkeit. Das klingt relativ simpel, ist in seiner Simplizität aber höchste Kunst. 

Ihrer offenbarungstheologischen Fokussierung folgend unterteilt Bauks den Lehrstoff in acht Abschnitte: Die Offenbarung des Gottesnamens, die O. im Befreiungshandeln aus Ägypten, die O. in den Verheissungen an die Erzväter, die O. in der Schöpfung und ihrer Erhaltung, die O. in Bund und Weisung, die O. in Gericht und Heil (frühe, exilische und nachexilische Propheten), die O. in Klage und Lob (der Psalter als Antwort des Menschen auf die Offenbarung) und schliesslich die O. in der Weisheit und der weisheitlichen Skepsis. Innerhalb dieser Abschnitte werden einzelne Geschichten oder ganze Bücher behandelt. Baucks versteht es, aus einzelnen Geschichten Linien für das ganze Buch zu ziehen, wie auch anhand der Besprechung ganzer Bücher die Sicht auf die Einzelgeschichte nicht zu verlieren. 

Dies geschieht wesentlich dadurch, dass Bauks sich nicht an Konzepten oder historischen Theorien orientiert, sondern an den Texten selbst. Durch die ganze Theologie hindurch zieht sich als roter Faden die Einzelexegese. Hier bespricht sie die Auslegungsgeschichte, erklärt das offenbarungstheologische Gewicht des einzelnen Textes oder eben auch exemplarisch für das ganze Buch, und hier verweist sie auf die altorientalische Religionsgeschichte, um deutlich zu machen, dass auch Offenbarung nicht vom Himmel fällt, sondern eingewoben ist in eine kulturelle, soziale und theologische Matrix, die alle antiken Kulturen miteinander verknüpft. 

Die abschliessende systematische Perspektive («Theologie als polyphone Rede von Gott», S. 305) umschliesst Themen wie den Monotheismus, das Bilderverbot, die Kanonshermeneutik uam. Im Vergleich mit den acht Abschnitten des ersten Teils scheint mir dieser zweite Teil inhaltlich etwas blass und zuweilen auch unstrukturiert zu sein, was wohl damit zusammenhängt, dass Bauks bedeutend weniger an den einzelnen Texten arbeitet und deren Konsequenzen aufzeigt. 

Die Theologie des Alten Testaments von Michaela Bauks setzt viel voraus: Wer sich mit dem Jahwisten, der Priesterschrift oder der redaktionellen Überarbeitung und Weiterentwicklung der Schriften nicht auskennt, findet wohl nur schwer einen gewinnbringenden Zugang, denn all das setzt Bauks voraus und erläutert es nicht. Und wer sich eine Antwort auf alle Fragen erhofft, wird enttäuscht sein. Diese Theologie kann und will nicht alles behandeln (es fehlen etwa Darstellungen zum chronistischen Geschichtswerk oder zu einigen der kleinen Propheten). Aber was sie behandelt, macht sie mit solch methodischer Konsequenz, dass der Leser mehr als genug Hilfestellung erhält, sich selbst mit den Texten, auch den nicht behandelten, auseinanderzusetzen. Eine Theologie also mit offenen Rändern – ohne Vor-wissen bleibt sie unverständlich, dafür fördert ihre Lektüre das Nach-denken. 

UTB GmbH, 12018, 432 Seiten, ISBN 978-3825249731, SFr. 44.90 

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