Margot Käßmann (58): „Nächstes Jahr gehe ich in Ruhestand“

Margot Käßmann (58) geht nächstes Jahr in Ruhestand. „Ich freue mich einfach darauf, Ruhe und Zeit zu haben, Lesen und Schreiben zu können. Und natürlich meine Enkelkinder zu sehen – möglichst viel und oft“, verrät sie im Interview mit der Zeitschrift FRAU IM SPIEGEL. Der Lebensmittelpunkt werde sich, wenn sie in Pension sei, wohl nach Usedom verlagern. „Da ist Wald, Strand, viel Weite und viel Ruhe“, so Margot Käßmann.

Das vierte Enkelkind kommt im Juni. Sie findet es „schlicht schön, mit den Kindern Zeit zu verbringen“. Käßmann: „Wir spielen zum Beispiel Lego miteinander. Ich liebe Duplo-Steine – die Kinder auch. Als Mutter stehst du immer unter Zeitdruck, weil du weißt, da ist noch was Berufliches zu tun oder eine Maschine Wäsche zu waschen. Als Großmutter dagegen hast du einfach Zeit, kannst ganz gelassen die Stunden mit den Enkeln verbringen.“ Großmutter sein, das sei „eine ganz besondere Rolle“.

Derzeit hat die 58-Jährige als „Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017“ jede Menge Termine im In- und Ausland. „Ich war gerade in Lateinamerika, davor war ich in Neuseeland, bald fliege ich in die USA.“

Seit sieben Jahren wohnt Margot Käßmann in Berlin. Ob sie sich dort inzwischen zu Hause fühlt? – „Ich fühle mich in Berlin sehr wohl. Ich werde dort auch eine kleine Wohnung behalten.“

Käßmann lebt allein. „Und es geht mir gut damit“, sagt sie. „Wir sollten aufhören zu sagen, dass der, der alleine lebt, defizitär lebt. Menschen können auch in einer Paar-Beziehung sehr einsam sein.“ Alleine leben heiße nicht, dass der Mensch einsam sei.

Dass sie 2010 nach einer Alkohol-Fahrt konsequent als Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland zurückgetreten ist, hat sie nie bereut. „Das war in dem Moment richtig, und das ist auch richtig geblieben für mich“, so Margot Käßmann zu FRAU IM SPIEGEL.

In ihrer Familie wird immer wieder über den Glauben gesprochen. „Ich habe meine drei Enkel taufen dürfen“, bemerkt sie. „Das ist für mich von großer Bedeutung, dass meine Familie sagt: Wir vertrauen die Kinder auch Gott an.“ Die Eltern seien wichtig für die Kinder. „Aber ich finde, es gibt ein gutes Grundgefühl zu sagen: Die Kinder stehen auch im Segenskreis von Gott.“

Margot Käßmann liebt Familienurlaube. Ob sie öfters Zeit dafür hat? – „Ich habe nach meinem Rücktritt ein kleines Ferienhaus an der Ostsee erwerben können. Da treffen wir uns in wechselnden Konstellationen.“ Das sei mit den kleinen Kindern einfacher, als lange Reisen zu unternehmen. „Und das genießen wir sehr.“

Sie hat eine Kinder-Bibel geschrieben. Liest sie den Kleinen daraus vor? – „Die älteste Enkelin wird bald fünf. Sie hört die Geschichten gerne und da merke ich wieder, Kinder lieben die biblischen Geschichten. Die sind wunderbar zu erzählen.“

Käßmann betet oft abends. „Weil ich so diesen Tag zurück in Gottes Hand lege – mit allem Schönen und allen Sorgen. Ich bete auch für andere. Denn manchmal habe ich das Gefühl, du kannst einem Menschen gar nicht helfen, aber Fürbitte leisten.“

Margot Käßmann predigt oft selbst. Aber sie besucht auch als Gast die Gottesdienste. „Wenn Menschen heute Entschleunigung in Wellness-Programmen suchen, dann finde ich, dass sie das in Gottesdiensten einfacher haben können.“

Ob sie manchmal an ihrem Glauben zweifelt – gerade bei Tiefschlägen? – „Zweifel kennt jeder Mensch, der gläubig ist“, sagt sie. Es gehöre dazu, dass man immer wieder Fragen stelle und nachdenke. „Aber gerade in den schwierigen Zeiten zweifle ich nicht, weil ich nicht glaube, dass Gott Krankheit oder Unglück als Strafen bringt. Sondern dass Gott dir die Kraft gibt, mit dem Leid oder den Herausforderungen fertig zu werden.“

Dass Menschen die Kirche verlassen, tut ihr weh. In einer so mobilen und ständig innovativen Welt wie in unserer, da brauche „der Mensch auch Wurzeln, Halt, Traditionen und Rituale“.

Margot Käßmanns Traum ist, „dass die Welt zum Frieden findet und Ungerechtigkeiten aufgehoben werden“. Persönlich möchte sie gerne „auf Usedom zur Ruhe finden“. Käßmann zu FRAU IM SPIEGEL: „Ich kann dann immer noch einen Vortrag oder eine Predigt halten oder ein Buch schreiben, wenn ich das möchte. Aber aus dem Leistungsdruck, der dich ständig bedrängt, endlich rauszukommen, das will ich. Und darauf freue ich mich schon sehr.“

Und was hätte uns Luther heute zu sagen? – „Wahrscheinlich könnte Luther nicht begreifen, dass Menschen in Deutschland – in dem Land, in dem er die Bibel in die Volkssprache übersetzt hat – diese Bibel überhaupt nicht kennen“, so Käßmann. „Da würde er wohl sagen: Du brauchst eine Orientierung im Leben. Lies selber nach! Mach dich schlau! Denk selbst!“

Quelle: ots/Presseportal, Copyright Bild: © Claude Truong-Ngoc / Wikimedia Commons

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